Letztens erst habe ich selbst gebackenes Dinkelbrot und Salz zum Einzug in die neue Wohnung verschenkt. Ein schöner Brauch, um den Bewohnern Wohlstand und Glück zu wünschen und das Böse von ihnen fernzuhalten.

Brot und Salz

Und dann lese ich in dem Buch von Constanze John „Vierzig Tage Armenien – in einem alten Land im Kaukasus“ folgende kleine Geschichte zum Brot: „Wenn du vom Brot isst, musst du aufpassen, dass du nicht krümelst. Und falls du doch krümelst, musst du aufpassen, dass kein Krümel davon zu Boden fällt. Denn sobald der Krümel zu Boden fällt, kommt ein Engel geflogen, landet unten auf dem Boden und hebt seinen Fuß wie ein Dach über das Brot, nur damit keiner auf den Krümel tritt. Und deswegen achten die Armenier so sehr darauf, dass nichts vom Essen zu Boden fällt.“ (S. 26 f.)

Das Lesen dieser Passage wiederum ruft eine Erinnerung an eine Reise durch Usbekistan und Kirgisien hervor: Wir sitzen abends in Samarkand auf der Terrasse eines kleinen Restaurants an einem Teich mit Springbrunnen und genießen das herrliche Essen. Dazu gibt es natürlich Non, das traditionelle usbekische Fladenbrot. Beim Zurücklegen in den Korb zeigt die untere Seite des Fladenbrots nach oben. Ein Kellner kommt vorbei und dreht das Brot dezent und wortlos um. Eine Geste, die die große Bedeutung des Grundnahrungsmittels, das früher als heilig galt, und die Legenden, die sich darum ranken, zum Ausdruck bringt. Zum Beispiel heißt es, dass eine nach oben gewandte Brotunterseite Unglück und Trauer bringen soll. Oder wenn man Brotkrümel auf den Boden wirft und mit den Füßen darauf tritt, könne man erblinden…

Brot_Usbekistan

Als ich in der Mittagspause die Geschichte aus dem Buch von Constanze John erzähle, sagt eine Kollegin, die in den 1950er-Jahren geboren ist: „Bei uns war das auch so. Das Brot durfte nicht mit dem „Boden“ nach oben zeigen. Es hieß, die Familie habe dann viel Pech!“

Früher wurde für das tägliche Brot gedankt. Deutlich sehe ich noch meine Mutter oder meinen Vater beim Abendbrot in der Küche, ein frisches Brot – bei drei Kindern meist ein 3 Pfünder-Mischbrot – in der Hand, mit dem Messer drei Mal das Kreuzzeichen auf der Rückseite andeuten. Danach erst wurde das Brot angeschnitten. Ein damals weit verbreitetes Ritual. Diese besondere Wertschätzung von Nahrungsmitteln hat mich meine Kindheit hindurch begleitet und bis heute geprägt.

Welche Rituale rund ums Brot habt ihr uns denn zu erzählen?