Ich habe: „Ja“ gesagt

Kennt ihr das Gefühl, wenn ihr euch etwas sagen hört, und im selben Moment poppt der Gedanke auf: Hab‘ ich das jetzt allen Ernstes gesagt? Wirklich? So ging es mir, als ich der Tochter einer sehr guten Freundin anbot, ich könne ja ihre Hochzeitstorte backen.

Ich? Die Bäckerin fürs eher Grobe, die noch nie eine Torte gebacken hat. Ja, ich oute mich. Das Thema Torten habe ich immer gerne an unsere Konditormeisterin Petra delegiert, die das ja auch viiiieel besser kann als ich. Und angeboten hatte ich es auch nur, weil ich wusste, es soll ein Naked Cake werden. Böden aufeinandersetzen und mit ein bisschen Creme einschmieren (oder auch nicht), das kann ja nicht soo schwer sein. Außerdem hätte ich ja immer noch Petra in der Hinterhand, die mir unter die Arme greifen könnte bzw. die Torte ins Blei setzen. Und sowieso, der Termin ist ja erst in acht Wochen. Hmm, nee, is klar. Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Und drittens kann es dann auf den letzten Metern auch noch schiefgehen

 8 Wochen sind ja viiiiel Zeit

Erstens flogen die acht Wochen nur so vorbei. Gut, dass ich vier Wochen vorher in die Planung eingestiegen bin. Und mindestens drei Tage die Woche gebacken habe. Denn irgendwie stand für mich gleich fest, dass es ein Schokoladenboden mit Himbeeren wird. Aber Schokolade war mit der Braut nicht kompatibel. Und dann hat mich der Ehrgeiz gepackt! Es sollte schon eine eher außergewöhnliche Geschmacksrichtung sein. Eben kein normaler Biskuit mit Vanille-Buttercreme.

So viele Sorten

Als Geschmacksrichtung für die Böden habe ich ausprobiert:

  • Kardamom – nein, das ist nicht nur ein Weihnachtsgewürz, das verleiht auch Sommertorten ein herrliches Aroma.
  • Blaubeer Mascarpone
  • Rhabarber – egal, wie viel Saft und Aroma ich reingehauen habe, der Geschmack kam einfach nicht durch und mit Rhabarberstückchen, das war mir zu heikel. Nicht, dass der Boden am Tag weich und matschig ist.
  • Orangenkuchen mit ganzer Orange
  • Und, nachdem ich auf dem Motivtortenwettbewerb in Karlsbrunn den wunderbaren Matcha-Kuchen von Eva Klos probiert hatte – Matcha.

inspiriert durch Sweet Dreams 4/2016

Naked Cake Hochzeitstorte

 

Naked Cake Hochzeitstorte

 

 

Buttercremes ohne Ende

Auch Buttercremes habe ich in den unterschiedlichsten Varianten angerührt. Tortenfeen wissen wohl Bescheid, aber ich hatte keinen blassen Schimmer, wie viele Sorten Buttercreme es gibt: da wären
– die deutsche
– die swiss style (schweizerisch hört sich so doof an)
– die amerikanische
– die italienische
– die französische
– und die englische.

Wahnsinn, gell!

Bis auf englische und französische Buttercreme habe ich alle ausprobiert, und das auch mit verschiedenen Aromen. Am Ende habe ich mich dann für die amerikanische Version, verfeinert mit Mascarpone, entschieden.

Auch eine Waldfrucht-Sahne habe ich getestet, die war zwar lecker, aber so ganz habe ich der Sache nicht getraut.

Endspurt

Was für ein Glück, dass die Braut sich spontan für die gleichen Geschmackskombis begeistert hat, die auch meine Favoriten waren:

Matcha-Rührkuchen mit Limette-Basilikum-Buttercreme und
Wiener Boden mit Holunder-Buttercreme.

Der Hochzeitstermin rückte näher und näher, mir wurde immer mulmiger, doch da war ja noch mein erwähntes Ass im Ärmel: unsere Konditormeisterin.. Aber ich hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Die gute Petra hatte nämlich just zu der Zeit eine Woche Urlaub. Ich war also ganz auf mich alleine gestellt.
Wie gut, dass ich auf die Erfahrung meiner Freundin Heike von Heikes Zuckerwerkstatt zurückgreifen konnte, die mir haarklein erklärte, wie ich die Torte stapeln sollte und wie befestigen, so dass sie nicht ins Rutschen kommt.

Gott sei Dank war der Tag vor der Hochzeit ein Feiertag. So konnte ich den ganzen lieben langen Tag vor mich hinbacken… Und was soll ich euch sagen: Alles hat geklappt. Die Kuchen waren durchgebacken, hatten genügend Zeit, um gut auszukühlen, das Durchschneiden klappte wunderbar, die Cremes gerieten luftig und lecker, Füllen und Bestreichen gelangen hervorragend… Für den nächsten Tag standen nur noch Madeleines backen und Torte zusammensetzen auf meiner To-do-Lliste, bevor ich mein Erstlingswerk stolz dem Brautpaar präsentieren durfte.

Und dann geht es auf den letzten Metern schief

Der Tag fing bestens an. Die Madeleines – ebenfalls ein Erstlingswerk – gerieten genauso, wie sie sollten: goldgelb und mit einem dicken Bauch. Ich konnte also beruhigt für einige Stunden ins Büro und arbeiten. Das Aufeinandersetzen ist ja überhaupt kein Problem.

Tja, das dachte ich. Jeden Schritt dieser Hochzeitstorte hatte ich vorher mehrfach geübt und ausprobiert. Außer – ihr ahnt es schon – das Aufeinandersetzen der Böden. Aber was soll schon schiefgehen, wenn eine Torte einen Durchmesser von 24 cm und die andere einen von 20 cm hat. Das ergibt doch zwei schöne Stockwerke.

Theoretisch ja, praktisch auch. Aber nur, wenn man keinen Denkfehler drin hat!
Denn eine 20er-Torte, die mit Madeleines ummantelt wird, die hat keinen 20er- Durchmesser mehr. Die beiden Böden waren gleich groß und ich soooo klein mit Hut. Jetzt hieß es: heulend zusammenbrechen (mein Favorit in diesem Moment) oder neu backen.

 

Backen, kühlen, einstreichen, stapeln in 5 Stunden

Ein Anruf beim Partyservice ergab, dass die Torte ganz sicher nicht vor 21 Uhr aufgefahren würde. Aber innerhalb von fünf Stunden einkaufen (alle Butter- und Eiervorräte waren aufgebraucht), backen, abkühlen, füllen, abkühlen und verzieren und noch 30 Minuten weit fahren. War das realistisch?

Okay, aufgeben bei einer Hochzeitstorte, das kam absolut nicht in Frage (auch wenn ich mir sicher bin, dass das Brautpaar mir verziehen hätte), also ab in den Supermarkt. Und jetzt ratet mal, wer in der ganzen Aufregung den Einkaufszettel vergessen hatte? Richtig. Ich. Und so stand ich dann vorm Regal, beschwörend vor mich hinmurmelnd:

Butter, Eier, Puderzucker, Limetten, Mehl.

Ich hab mir schon den ein oder anderen amüsierten Blick eingefangen.

Als die Kirchenglocken um 15.15 Uhr zur Hochzeitsmesse riefen, stand ich nicht fein gekleidet vor der Kirche (klar wollte ich auch dabei sein), sondern mit Backschwestern- Glücks-T-Shirt an meiner Küchenmaschine und schaute dem Butter-Zucker-Gemisch zu, wie es allmählich die richtige Konsistenz annahm.

Und wenn ihr bis hierhin gelesen habt, belohne ich euch jetzt mit dem Happy End. Um 20 Uhr war die Torte ready for take off. Verpackt in einer feinen Transportbox (danke fürs Ausleihen Heike) fuhr ich sie die rund 30 Kilometer bis zur Hochzeitslocation.

Ende gut, alles gut.

Das Rezept für die Torte und wie mein Erstlingswerk aussah, das zeige ich euch demnächst in diesem Theater, äh Blog.